Kai Strauss – Interview zur aktuellen CD "I Go By Feel"
Kai Strauss – Interview zur aktuellen CD "I Go By Feel"

Seit 2011 ist Kai Strauss mit seiner eigenen Band „Kai Strauss & The Electric Blues Allstars“ in Sachen Blues unterwegs. Seit zig-Jahren zählt er zum kleinen Kreis europäischer Musiker, die den Blues gleichermaßen authentisch wie modern interpretieren. Über 15 Jahre lang tourte Strauss an der Seite des Texaners Memo Gonzalez von Europa bis in die USA und ließ schon mit seinem ersten Album „Electric Blues“ aufhorchen. Nun hat er mit seiner neuen Scheibe „I Go By Feel“ noch einen Zacken zugelegt und ein ganz starkes Werk abgeliefert. bluesfeeling.com hatte die Gelegenheit, mit dem aus Lengerich stammenden sympathischen Blueser zu sprechen.

 

Kai, wie bist Du eigentlich zum ersten Mal mit dem Thema "Blues" in Kontakt gekommen?

Zum ersten Mal auf den Blues gestoßen bin ich zum einen über das Gitarre spielen an sich. Ich habe mit 10 Jahren angefangen, Akustikgitarre zu spielen, erst Kinderlieder und dann Cat Stevens, Beatles und solche Sachen. Dann gab es noch eine kleine Plattensammlung meiner Eltern, die man natürlich durchstöbert hat. Mein Vater hatte dabei auch eine Handvoll von Bluesplatten – und da habe ich zum ersten Mal Blues gehört.


Was gab es da denn so?

Ja, er hatte etwa die berühmte John Mayall „Turning Points“. Eines Abends kam er dann nach Hause und brachte eine Albert King-Scheibe mit, die mich total begeistert hat. Das war „New Orleans Heat – Albert King“. Und die Platte lief dann mehr bei mir in meinem Zimmer als bei meinem Vater… (lacht)...Mit 14 habe ich dann angefangen, E-Gitarre zu spielen. Ich habe dann zu den Platten mitgespielt und versucht, das irgendwie nachzumachen, was da lief.

 

Was war denn deine erste E-Gitarre für ein Teil?

Hach, das war eine billige japanische Stratocaster-Kopie von einer obskuren Firma mit dem französischen Namen „Fairmont“. Für 20 DM gekauft und einige Zeit später auch wieder für das gleiche Geld verkauft, leider.

 

Die Strat ist Dein Lieblingsinstrument, wieso eigentlich?

Vielleicht, weil meine erste Gitarre ja auch schon eine Strat war. Eigentlich komme ich auf jeder Gitarre zurecht, man muss ein Instrument nur über einen längeren Zeitraum von ein paar Monaten regelmäßig spielen, dann ist es egal, von welchem Hersteller es ist. Die Strat ist vom Gewicht her angenehm, liegt gut in der Hand und ist sehr vielseitig. Man kann eine Menge Sounds damit machen…und sie sieht gut aus (lacht). Eine kurze Zeit dachte ich, es müsste etwas anderes sein, dann habe ich mich durch die halbe Gibson-Palette durchgespielt, aber heute so gut wie alle wieder verkauft. Nur eine schöne ES 345 – ein Modell, das auch Freddie King gespielt hat – habe ich behalten. Aber die Strat bleibt mein Hauptinstrument. Ich habe festgestellt: Dieses viele Gitarrewechseln bringt es nicht, man muss irgendwo zuhause sein. Auch meine komplette neue CD ist nur mit Strat eingespielt…

 

Zu Deiner neuen Scheibe kommen wir noch. Aber was ist generell Deine aktuelle Lieblings-CD?

Ja, ich habe wieder ein bisschen Lust auf Vinyl bekommen. Mein letzter Kauf war die neue Los Lobos-Platte „Gates Of Gold“. Ansonsten ist meine Blues-Lieblingsscheibe im Moment von Magic Slim, „Live at the Zoo Bar“, Teil 2, wenn Du es genau wissen willst.

 

Wie siehst Du aktuell das Thema „Blues in Deutschland“ – gibt es da eine Renaissance???

Hmm, aus meiner persönlichen Sicht kann ich sagen, dass meine aktuelle Band, die ja noch keine 2 Jahre aktiv ist – richtig angefangen haben wir eigentlich erst letztes Jahr mit der CD „Electric Blues“ – , sehr gut angelaufen ist. Ansonsten kann ich sagen, es gibt mittlerweile eine ganze Handvoll guter Bands, etwa meinen Freund Jimmy Reiter aus Osnabrück, "Blues Shacks" und die alten Helden "Blues Company". Hier oben rund um Osnabrück und Münster hat man doch ziemlich konzentriert eine Menge guter Bands. Es gibt zudem auch einiges an guten Musikern, wie etwa den jungen Jesper Munk. Der hat echt Charakter und einen guten Ausdruck. So junge Künstler tun der deutschen Bluesszene gut. Auch ansonsten tut sich was: Es gibt etwa die Zeitschrift bluesnews und solche eher private Blogs im Internet wie Deiner sowie Blues Internet-Radiossender. Der Spaß und die Fans sind da, es wäre schön, wenn auch wieder coole Clubs nachkämen. Da fand ich die Szene in den 90ern und um 2000 besser als heute. Aber vielleicht haben wir auch hier einen kleinen Aufschwung.

 

Du hast viele Gigs in Deutschland und Benelux, bist Du eigentlich angesichts der knappen Zeit auch noch auf Sessions anzutreffen? Gibt es die „Blue Monday“-Jams in Osnabrück noch?

Jaaa, die gibt es noch. Und da bin ich auch regelmäßig noch anzutreffen. Einmal beim Blue Monday Jam in der Lagerhalle Osnabrück (20:00-23:00 Uhr), aber auch jeden Dienstag in Münster (19:30-22:00Uhr) im Lokal „Der Bunte Vogel“. Dort stellen wir praktisch in der alten Memo Gonzalez-Besetzung die „Hausband“. Mit Erkan Özdemir am Bass, und Schlagzeug spielt meist André Werkmeister, der jetzt bei den Blues Shacks spielt. Das ist auch eine tolle Jam-Session!

 

Du bist ja mit jeder Menge Projekte am Start, warst bei den Bluescasters bis Ende 2010 aktiv. Wie geht’s den Kollegen?

Genau, seit 2011 trete ich  nur noch unter meinem eigenen Namen in Erscheinung. Aber die Bluescasters selber mit Memo Gonzalez gibt’s natürlich noch. Die spielen auch regelmäßig, aber immer häufiger unter dem Namen „Memo Gonzalez & The Özdemirs“. Der Bassist Erkan Özdemir begleitet Memo mit seinen beiden Söhnen Kenan (Gitarre) und Levent (Schlagzeug), die mittlerweile auch super Musiker geworden sind!

 

Dein aktuelles Projekt ist ja Kai Strauss & Electric Blues Allstars. Davor hast Du auch mit Jeffrey Amankwa gearbeitet. Wie sieht's denn da aus?

Nachdem ich bei Memo aufgehört hatte, hatte ich das Bedürfnis einmal etwas ganz anderes zu machen. Und zwar schon mit starken Blueseinflüssen, aber nicht mehr mit so fest gesetzten Grenzen. Eigene  Lieder zu schreiben war mir ein echtes Bedürfnis. Jeffrey hatte ich auf der Bluessession in Münster kennengelernt, man hat sich daraufhin ein paarmal getroffen und daraus hat sich dann ganz schnell diese Band entwickelt. Und ganz schnell wurde eine CD gemacht. Die Band gibt es auch noch, der Schwerpunkt liegt bei mir aber auf den Electric Blues Allstars. Nach zwei Jahren hat es mir dann wieder auch gefehlt, einfach Blues zu spielen und eine richtige Bluesband zu machen. Als Jeffrey dann auch noch auf Weltreise gegangen ist, habe ich  angefangen wieder Bluesgigs zu spielen, was sehr gut angekommen ist…

 

Nun deshalb endlich zu Deiner neuen CD, die sehr vielfältig ist und ein tolles Gesamtkonzept hat. Langsam, schnell, Shuffle, Chicago, alles dabei. Hast Du einen „Roten Faden“ für das neue Album „I Go By Feel“ gehabt?

Die aktuelle CD ist auf jeden Fall – was man hört – in einem viel, viel kürzeren Zeitraum aufgenommen worden, als die letzte. Also innerhalb von einem halben Jahr. Es gab zwei größere Aufnahmesessions, in denen bis auf den Bonus das komplette Album entstanden ist. Der rote Faden? Die neue Scheibe ist gitarrenlastiger im Gegensatz zur letzten, die mehr Mundharmonika-Parts hat. Das ist auch etwas durch die Gäste bedingt…

 

…die neue Scheibe hört ich irgendwie transparenter, so perlt das Piano förmlich in den Raum…

…jaaa, wir hatten auch mit Martin Meinschäfer einen Klassemann bei der Aufnahme, der zum Beispiel auch die Henrik Freischlader-Alben gemischt und gemastert hat. Der Sound ist – so sage ich mal – etwas zeitgemäßer, ein bisschen frischer. Wir spielen klassischen Blues, aber es soll schon klingen wie 2015! Wenn ich die CD in meinem Autoradio abspiele, soll das druckvoll klingen.

 

Du hast ja auch viele Gastmusiker mit an Bord, wie etwa Mike Wheeler mit einer sagenhaften Stimme. Wie bist Du eigentlich mit Deinen Gästen in Kontakt gekommen? Durch die Jams?

Eigentlich wollte ich die Gäste noch weiter "herunterschrauben", aber das hat sich dann einfach so ergeben. Ich habe auch nicht verzweifelt nach Gästen gesucht, sondern das sind alles Leute, mit denen ich in dem Zeitraum zwischen der letzten CD und den jetzt neuen Aufnahmen live gespielt habe. Mit Mike Wheeler etwa war ich im März für 4 Tage in Deutschland und Holland mit meiner regulären Band unterwegs. Und da haben wir gleich die Gelegenheit ergriffen, ein paar Lieder aufzunehmen und festzuhalten. So ist das eigentlich mit allen Gästen gewesen. Mit Tony Vega, Gitarrist aus Houston/Texas, war ich im April fast drei Wochen auf Tour in Dänemark und Deutschland. Und wir haben uns dabei auch auf Anhieb gut verstanden. Also habe ich ein Studio gebucht und mit den Jungs Aufnahmen gemacht. Tommie Harris, einen richtigen „Original-Typ“, der schon mit Jimmy Reed und bei Luther Allison gespielt hat, kenne ich schon seit 15 Jahren und wir machen immer mal wieder etwas miteinander.

 

Das ist sehr abwechslungsreich dadurch…

…genau. Andererseits sind aber auch fünf oder sechs Titel in der Originalbesetzung aufgenommen. Und ich singe trotz der Gäste mehr als auf der „Electric Blues“-Scheibe. So dass alles, was ich mir so vorgenommen hatte, gut umgesetzt worden ist.

 

Eine „fiese“ Frage: Welcher ist Dein Lieblingstitel auf dem neuen Album???

Hmm, das ist sicherlich der Opener „Full Way To Long“. Den finde ich klasse, weil’s auch ein eigener Song ist (grinst), mit dem ich zufrieden bin. Und „Gotta Wake Up“ ist wohl auch ein Highlight. Ebenso die Instrumentalnummer, die sich eigentlich aus einer ganz kleinen Idee entwickelt hat: Das Ding haben wir eigentlich nur zum Warmmachen im Studio gespielt. Wir haben einfach mal mitlaufen lassen, und das Stück hat sich dann mit dem Bläsersatz so gut entwickelt, dass wir es auf die CD genommen haben. Am Ende waren 9 Musiker an dem Song beteiligt, quasi eine kleine Bigband. Fast so wie „Roomful Of Blues“ mit einem tollen Saxophon-Solo von Sax Gordon!

 

Kai, Du bist ja viel unterwegs und hast massig Gigs. Sex, Drugs & Rock’n Roll ist ja heute auch nicht mehr so zeitgemäß: Wie hältst Du Dich fit?

Wie halte ich mich fit?  Vielleicht müsste ich mehr Sport machen… Ich mache nix Besonderes. Die Auftritte sind mein Sport. Und es stimmt schon, dass ich jetzt, seitdem ich mich selber um viel mehr kümmern muss und natürlich auch mehr Verantwortung trage, auch wirklich ziemlich vernünftig bin, wenn wir unterwegs sind. Mir ist auch wichtig, dass die Musik 100ig ist, wenn wir spielen. Meine Erwartung an mich und die Band sind relativ hoch…und die kann man nur erfüllen, wenn man einen klaren Kopf behält.

 

Du bist jetzt 45…

…Und das ist ein super Alter, um Blues zu machen. Ich glaube, dass ich jetzt mehr rüberbringe als jemals zuvor. Wenn man Blues spielt, kann es nicht schaden, am wirklichen Leben teilzunehmen, statt nur in seiner Musikerglocke zu hocken.

 

Abschließende Frage: Wann wird denn Deine neue CD „offiziell“ vorgestellt?

Die offizielle CD-Release-Party findet statt am 15. Januar 2016 in Dortmund im "Piano". Dort werden wir natürlich viele der neuen Songs spielen und auch Gäste dabei haben wie etwa Tommy Harris und Big Pete.

 

Kai, vielen Dank für das tolle und informative Gespräch mit Dir und weiterhin vieeel Spaß mit dem Blues!

 

....und hier eine kleine Kostprobe aus dem neuen Album:

https://www.youtube.com/watch?v=aE5_EEo1cWg