Tommy Schneller – Blues in vielfältigem Gewand

...auf den Bühnen der Welt zu Hause: Tommy Schneller

Er kennt die Festivals in Europa und die kleinen Clubs auf der Beale Street in Memphis – Tommy Schneller ist auf den großen Bühnen dieser Welt zuhause. Sein charmanter, unverwechselbarer Gesang und sein erdig warmer Saxophonsound haben ihn in den vergangenen Jahren zu einem der beliebtesten Musiker Europas gemacht. Schneller wurde bereits drei Mal mit dem German Blues Award (2010, 2012, 2014) sowie dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik (2011) ausgezeichnet. bluesfeeling.com sprach kürzlich mit dem sympathischen Vollblutmusiker.

 

Tommy, Du bist ja schon fast 40 Jahre in der Musik-Branche unterwegs. 1989 hast Du in ersten Bands gespielt. Was hat Dich eigentlich zur Musik gebracht? Und was hat Dich beim Thema Soul/Blues angesprochen?

 

Also, das ging schon im Grundschulalter los mit Fifties-Rock ‚n Roll, den ich gerne und viel gehört habe. Irgendwann so Anfang der 1980er-Jahre habe ich dann mal den Blues Brothers-Film geguckt – so wie viele – und bin dabei erstmals darauf gekommen, dass das, was ich vorher so gehört habe, da – sprich aus dem Blues – herauskommt. Und das war dann die Initialzündung sich auch andere Sachen anzuhören. In dem Blues Brothers-Film gibt es ja von John Lee Hooker bis zu den alten Specks-Nummern, eine ganze Bandbreite, die da gespielt wird. Und so fing ich an nachzuforschen – und bin dann bei dem Genre so „hängengeblieben“.

 

Gut, dass es so gekommen ist…

 

…jaa! Und dann gibt es in Osnabrück in diesem Jahr seit 30 Jahren jeden Montag eine Blues-Session. Da bin ich quasi aufgewachsen, und so ist meine Verbindung zum Blues entstanden. Dann hatte ich zudem auch weitergeforscht und DJ-Platten von meinem alten Herrn entdeckt. Der hatte da Count Basie-, Glenn Miller--, Duke Ellington, Lionel Hampton- und Luis Armstrong-Scheiben – dies floss dann auch in meinen Stil hinein. Zudem Funk-Einflüsse von Tower of Power, James Brown, Edgar Winter. Dafür schlägt mein Herz!

 

 

Und das Herz für Dein Instrument, das Saxophon? Wie hast Du das „gefunden“?

 

Ich habe als Schüler mit Klarinette angefangen, da lag das eigentlich auf der Hand, da ist der Schritt zum Saxophon nicht so schwer…

 

…hast Du da spezielle Vorbilder, die Dich angesprochen und inspiriert haben?

 

Ja, da gibt es natürlich einige. Ganz besonders gefallen mir die Texas Tenors, Arnold Cobb, Buddy Tate. Wen ich sehr verehre ist Red Holloway, für den durfte ich auch zwei- dreimal Tourmanager sein. Er mit mir auch sehr geholfen Fuß zu fassen. Mit Red Holloway bin ich in den 90ern unterwegs gewesen in einer tollen Besetzung. Er hatte damals Richard Reed am Bass. Der war damals der Hausbassist von Aretha Franklin. Dann saß Paul Humphrey, Los Angeles Studio-Legende, am Schlagzeug, der unter anderem für Santana, Zappa und Marvin Gaye gespielt hat. Und die Jungs haben ihren Tourmanager dann jeden Abend für ein, zwei Stücke auf die Bühne genommen. Auf diese Art und Weise konnte ich mich quasi vorstellen, kannte die Veranstalter auch. Kurze Zeit später habe ich dann auch meine erste Platte aufgenommen und konnte direkt mit ein paar Gigs anknüpfen.

 

Du hast ja wirklich ein bewegtes Leben hinter Dir, nicht direkt mit Musik gestartet, sondern ganz etwas anderes gelernt.

 

Ich habe ursprünglich mal Großhandelskaufmann gelernt in einem KfZ-Ersatzteile-Großhandel. Nach der Ausbildung habe ich 20 Monate Zivildienst abgeleistet und in dieser Zeit auch angefangen, viel zu spielen. Und bin dabei so „reingerutscht“, von der Musik auch zu leben. Zwischendurch habe ich mal für eine Agentur gearbeitet. 1997 habe ich die erste Platte aufgenommen und bin seitdem viel mit der eigenen Band unterwegs gewesen und als Sideman bei verschiedensten Projekten aktiv.

 

Und jetzt lieferst Du nach fast 20 Jahren unterwegs mit eigenem Namen mit „Backbeat“ Dein aktuelles Baby ab. Und das mit ganz eigenem Stil! Wie würdest Du den beschreiben?

 

Durch meinen Musikgeschmack sind da eine Menge Strömungen drin. Das kann mal swingig oder auch mal funkig-rockig sein. Da bin ich eigentlich offen. Aber die Wurzel des Ganzen ist schon der Blues. Die Musik muss etwas aussagen, sie muss das Herz berühren, das ist mir wichtig.

 

Die neue CD „Backbeat“ tut das und ist schon bei mir im Auto rauf und runter gelaufen. Was war die Idee zu dem neuen Album? Das ist ja als Doppelalbum auch etwas zweigeteilt?

 

Die Idee zu dieser Idee kam folgendermaßen: Ursprünglich wollte ich ein neues Album machen, das an den Stil der vorherigen beiden anknüpft, die damals Henrik Freischlader produziert hat. Henrik war allerdings zu busy und so habe ich mir gesagt: Okay, dann machst Du es diesmal selber. Ich habe mit meinen Mitkollegen in der Band ein Riesenpotenzial an Musikern. Die sind einfach mehr als nur eine Begleitband. Ich wollte also so eine richtige Bandplatte. Dann habe ich mich mit meinem Gitarristen Jens Filser zusammengesetzt und die zehn Stücke geschrieben. Das war eigentlich die ursprüngliche Idee.

 

Und wie ging es dann weiter?

 

Ich habe dann den Song „Cold Attitude“ geschrieben und die Nummer meinem Freund Carl Carlton geschickt. Dem hatte ich den Song gemailt und er rief dann zehn Minuten später an und sagte: „Also, das musst Du unbedingt auf Deutsch machen!“. Erst einmal habe ich mir an die Schläfe getippt und gedacht: „Der Kerl…“ Dann habe ich einmal näher darüber nachgedacht, dass er ja auch viel Erfahrung hat und man so einen Vorschlag nicht einfach so abtun kann. Ich dachte: „Okay, probier’s mal“  – und herausgekommen ist der „Arschkalte Art“-Song. Und ich habe gemerkt, wieviel Spaß und Herausforderung es ist, Lieder auch auf Deutsch zu schreiben.

 

Auf jeden Fall klingt es authentisch. Im ersten Moment denkt man zwar vielleicht „Blues und Deutsch? Na ja“…

 

…das hat es ja in der Vergangenheit schon häufiger gegeben, dass Bands Blues auf Deutsch machen, der sich aber immer in der Form des 12-Takters bewegte. Das fand ich aber immer so ein bisschen „nicht treffend“. Aber es ist eine Herausforderung, in seiner Muttersprache zu schreiben. Und dabei nicht einfach einen Shuffle oder Slow Blues. Sondern die eine Nummer auf der CD ist eher rockiger, die anderen beiden sind mehr im funk-souligen Gewand. Das hat sich da angeboten und ich habe mich wohlgefühlt dabei. Und das hat zum Weitermachen motiviert. Es gibt dabei sogar Gedanken, ein komplettes Deutsches Album zu versuchen. Nicht, um irgendwie auf den Trend aufzuspringen, sondern, um einfach mal zu schauen, was dabei herumkommt.

 

Musikalisch ist das Konzept ja nicht abgeändert...

 

Genau! Ob jetzt ein Song live englische oder deutsche Lyrics hat, ist eigentlich egal, weil Soli identisch gespielt werden. Und wir mutieren jetzt nicht zu einer Pop-Formation, die versucht Chart-kompatibel zu sein. Insofern macht es Spaß und vor allen Dingen merkt man auch, dass die Leute – wir spielen nun einmal viel in Deutschland – die Texte direkt verstehen und mitmachen.

 

Du bist ja fleißig am Touren und lange im Geschäft. Wie schätzt Du im 20-Jahres-Vergleich die Blues-Szene ein?

 

Nun, der wirklich klassische Blues fällt so ein bisschen hinten über im Moment. Es ist so eine Zeit, in der Gitarren-Trios – vielleicht noch mit Orgel als Quartett - aktuell einen unheimlichen Run haben. Egal, ob das jetzt Henrik Freischlader oder Ben Poole ist. Meiner Ansicht nach klingen alle etwas gleich, Joe Bonamassa ist da ja auch ein großer Vorreiter. Meiner Meinung nach klingt vieles davon mehr nach Led Zeppelin als nach Muddy Waters! Der BB King-Style oder der von Albert King oder Albert Collins, die ersten Bluesbands, die ich so gehört habe, findet man leider im Moment nicht so sehr. Aber ich glaube, das sind auch immer so Phasen. Aktuell ist eben mehr rockige Les-Paul-Bluesgitarre angesagt. Wenn ich auf die letzten 20 Jahre schaue, ist da immer eine Auf- und Ab-Bewegung zu erkennen.

 

Momentan gibt es aber auch eine Menge junger Künstler, die auf dem Blues-Zug sind, etwa ein Jonny Rieger aus der Pfalz oder Bad Temper Joe aus Bielefeld  – und die nicht auf dem Metal-Trip sind…

 

…das finde ich auch gut.

 

Diese jungen Künstler setzen aber vielleicht neuzeitliche, rockige Akzente. Die gehen in der Richtung, die Du eben geschildert hast, sorgen aber dafür, dass das Blues-Genre belebt wird.

 

Das sehe ich auch so! Man könnte das auch böse sehen – in der Puristen-Szene werden die alle auch etwas belächelt, was aber nicht unbedingt fair ist. Man findet da junge Leute, für die etwa ein Bonamassa oder Clapton die „Erfinder“ des Blues sind. Beim Googeln entdeckt man nicht unbedingt Freddy King oder T-Bone Walker als erstes. Aber es gibt ganz viel junges Potenzial und finde insgesamt interessant, was die da machen.

 

Neuzeit und Vergangenheit treffen dank Youtube, Handy und iPad zusammen...

 

Richtig. Die jungen Leute sind da heutzutage in einer komfortablen Situation. Ich habe noch mit meinem Kassettenrekorder Musiksendungen im Radio mitgeschnitten. Die Kids sind  dagegen heute durch das Internet schnell von etwas angefixt, bekommen dann auch die geballte Ladung von Youtube, wenn sie etwas interessiert.

 

Was fehlt, ist dann aber oftmals das Gefühl und die Historie, die hinter einer Sache – wie etwa dem Blues – steht…

 

Ich glaube, das kommt mit der Zeit. Die Kids haben ja auch Interesse und lesen dann genauer. Und hier und da kommt dann ein Name vor, den sie noch nicht  kennen. Und „zack“, steht auch ein T-Bone Walker auf der Liste.

 

Was hast Du denn für aktuelle Pläne? Etwas Spezielles zum 20-jährigen im nächsten Jahr?

 

Also im Herbst kommt erst einmal eine Live-CD mit einer Bonus-DVD von unserem Release-Abend in Osnabrück. Wir hatte da Dorrey Lyn Lyles dabei, die auch auf der Platte singt, und als Gast war auch Carl Carlton mit am Start. Jetzt im Mai kommt auch der Song „Barefoot In The Sand“ mit Dorrey heraus, und es gibt auch ein Video dazu. Für 2017 ist auf jeden Fall grob angedacht, es mit einem deutschen Album zu probieren.

 

Da kann man also verschärft gespannt darauf sein. Das Thema wird ja vom Publikum offenbar gut angenommen. Die Muttersprache ist ja das, womit man sich am besten ausdrücken kann. Beim Schreiben von Blues auf Englisch rutscht man ja auch schon mal leicht ins Banale ab…

 

…ja, wobei: Wenn man im Englischen etwas ins Banale abrutscht, klingt das immer noch cool (lacht). Es gibt ja keinen Schlager auf Englisch ;-) Wenn Du auf Deutsch schreibst und Du Dich in der Wortwahl ein wenig vertust, dann bist Du Ruck-Zuck im Schlager-Fettnapf versunken. Für mich ist wichtig, dass das Ganze einen positiven Beigeschmack und idealerweise auch noch ein Augenzwinkern hat. Wenn man über seine schwere Zeit in den Baumwollfeldern sänge, würde man sich komplett lächerlich machen.

 

Tommy, danke für das Gespräch, lass‘ den Blues weiter grooven!!!